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Der Krummschnabeltuscher

nach einer Erzählung von Karl PILZ, Bad Goisern

Nach der Pfarrmatrik hieß er Josef Besendorfer, doch die Dorfleute nannten jenen Mann den “Krummschnabeltuscher”. Er wurde am 13. Jänner 1798 im Goiserer Tal geboren und starb am 26. Juli 1902 im begnadeten Alter von fast 105 Lenzen.

Mitte des 19. Jahrhunderts zog er als Holzknecht in die großen Wälder am Preiner Gscheidt ins niederösterreichisch – steirische Grenzgebiet. Im fortgeschrittenen Alter kehrte Josef Besendorfer, der mit seinem Vulgonamen “Tuscher” genannt wurde, heim nach Goisern, wo er sich im Bierleckhäusl in Steinach 19, niederließ.

Hier brachte ihm die Freude am Vogelfang den Spitznamen “Krummschnabeltuscher” oder einfach “Schnabeltuscher” ein. In seiner Stube hegte er jahraus, jahrein eine stattliche Anzahl selbst gefangener gelber und roter Kreuz- oder Krummschnäbel, wie die Goiserer sagen. Er beobachtete täglich seine Stubenvögel, wie sie mit ihren scharfen, gekrümmten Schnabelspitzen keilartig in die Schuppen der Fichtenzapfen eindrangen und die Samenkörner herausholten.

Der alte Vogelfreund machte es sich zur Gewohnheit, morgens auf nüchternen Magen, bevor er seine gefiederten Stubengenossen mit frischem Nass und Nadelholzzapfen versorgte, das vom Vortag im Vogelnürschlein übriggebliebene Wasser zu trinken. Er bildete sich ein, durch den Genuss des Krummschnabelwassers ein sehr hohes Alter zu erreichen. Wahrscheinlich betrachtete er den harzduftenden Speichel der sangesfrohen Kreuzschnäbel als ein wunderbares Lebenselixier. Und weil er von dessen Wirkung überzeugt war, dachte der Schnabeltuscher auch im höchsten Alter nicht im Entferntesten an seinen eigenen Tod. Noch mit 90 legte er auf dem Tanzboden einen “Schleunigen” hin.

Der “Krummschnabeltuscher” starb erst, als ihn das Leben “nicht mehr recht freute”, weil er, wie er sich bei seinen Freunden beklagte, die Vogelstimmen nicht mehr richtig unterscheiden konnte.