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Die “Jagd des kleinen Mannes”

War die “Hohe Jagd” nur dem Adel und kirchlichen Würdenträgern vorbehalten, so wurde der Vogelfang allen Gesellschaftsschichten ermöglicht. Neben der Instruktion Rudolf´s II geht dies auch aus einer Deklaration des Gollinger Pflegers vom 30. Mai 1635 hervor:

“Im Gollinger Pfleggericht sollen die Landleute das Kleine Waidwerk mit Jagen, Pirschen und Vogelfangen außerhalb der Gehilz, gleich in anderen Pfleggerichten, zu besuchen Macht haben.”

In einem “Holz Khnecht Vorhalt” von 1770 wird das Verhalten der Holzknechte im Salzkammergut genau geregelt. Neben Regelungen, die das Beten der Holzarbeiter am Morgen, zu Mittag und am Abend betrafen, heisst es in Punkt 8 dieser Anordnung:

“Soll kheiner in fählung des wildtbrädts sich vergreifen, ohne special befehl khein khugl rohr oder andere pixen mit sich in werch statt nemben, und anstatt der arbeith dem schießen oder vögl fangen nachgehen.”

Während der Arbeitszeit war das Vogelfangen demnach verboten.

Ganz so frei war der Vogelfang dennoch nie. Für Fangplatzbewilligungen (sogenannter “Vogeltenn”) musste eine Steuer (Willengeld) dem Herrscher entrichtet werden. Im Salzkammergut wurde vom Ärar (Forstamt) ein “Zettel” gegen eine Gebühr ausgestellt.

Der Zugang aller sozialen Schichten zum Vogelfang bestätigt sich auch in überlieferten Berichten: So kam es 1677 zu einem Streit zwischen dem Salzburger Domkapitel und den Untertanen wegen des Vogelfangs. 1690 wird vom Vogelfang des Hoflakaien Franz Scharget berichtet, 1709 wird den Schiffleuten der Zeisigfang bewilligt. In dieser Zeit scheinen Grafen, Gärtner, Bräumeister, Spielleute, Holzknechte und Löffelmacher als Vogelfänger auf.

Bild: Vogelfänger aus dem Salzkammergut; Gemälde von Ivo Saliger

An die Vogelfänger wurden bereits 1711 hohe Anforderungen gestellt:
“Der Vogelsteller musste ein sehr guter Vogelkenner sein, der mit den Lebensgewohnheiten aller Vögel vertraut war. Er musste die Vogelstimmen erkennen und nachahmen können, Lockvögel fangen und abrichten, Wind und Wetter kennen, Netze, Leinen und Vogelkäfige selber machen, alle Fangarten beherrschen, ferner strenge Aufsicht ausüben, ehrlich sein, die Vögel richtig abliefern und der Vogelstellerei mit großem Eifer nachgehen.”

Vogelfang: Ausschnitt aus dem Deckenfreskenzyklus von Christian Wink (1771 – 1772) im Schloß Zell an der Pram

Ein wesentliches Merkmal für die Bezeichnung “Jagd des Kleinen Mannes” war und ist, dass sich die Vogelfänger stets ihrer Rechte erwehren mussten. In diesem Jahrhundert geht der Vogelfängeraufstand von Ebensee von 1905 in die Geschichte ein, in dem sich die Ebenseer erfolgreich gegen ein Fangverbot des Forstamtes zur Wehr setzten. Auch heute noch wird durch Medienkampagnen versucht, dieses traditionelle Recht des Zugangs zur Natur und zum Wildvogel der Region abzuerkennen.
War es früher der Standesunterschied, welcher die Vogelfänger ständig um ihr Recht bangen ließ, so sind es heute die Mehrheitsverhältnisse, mit welchen eine regionale Minderheit die Rolle und die Ausgeliefertheit gegenüber der Macht zu spüren bekommen.
In diesem Sinn hat der Spruch “Jagd des Kleinen Mannes” noch heute seine volle Gültigkeit, auch wenn der Vogelfang mit dem eigentlichen Begriff der “Jagd” schon lange nichts mehr zu tun hat!